Schwangere Illegale: Aus Angst nicht zum Arzt

Flüchtlingsinitiative: Bei STAY! melden sich immer mehr schwangere Frauen, die aus Angst vor der Abschiebung allein entbinden wollen.
Als Mariama W. aus Gambia durch die Glastür in der Hüttenstraße 150 kam, war sie im achten Monat schwanger und lebensbedrohlich krank: In ihrem Bauch wuchs ein Tumor. Trotzdem traute sich die junge Frau nicht, zum Arzt zu gehen. Mariama W. war illegal in Deutschland, eine papierlose Einwanderin. Deshalb wandte sie sich an die Flüchtlingsinitiative STAY! in der Hüttenstraße. Inzwischen wurde Mariama operiert, ihr Leben ist gerettet. Ihr kleiner Sohn Basiru ist jetzt sechs Monate alt. Und: Mariama W. hat endlich eine Aufenthaltsgenehmigung. Sie ist zufrieden – obwohl sie und ihr Sohn sich noch immer eine 50-Quadratmeter-Wohnung mit vier anderen Menschen teilen.
Bis sechs Wochen vor der Geburt werden Frauen noch abgeschoben

Es sind unglaubliche Geschichten, die Sozialarbeiterin Nicole Tauscher von STAY! in den zwei Jahren seit der Gründung gehört hat. Erst vor zwei Wochen kam eine Hochschwangere aus Ghana, die in Düsseldorf zur Prostitution gezwungen und von einem Freier geschwängert wurde. Es sind Geschichten, die mitten in Düsseldorf spielen – die aber kaum jemand bemerkt, weil die Protagonisten sich aus Angst verstecken, in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden. „Und abgeschoben wird bis sechs Wochen vor dem Entbindungstermin“, sagt Nicole Tauscher. Mariama W. und Basiru hätte das wohl ihr Leben gekostet.
Die Schätzungen, wie viele illegale Migranten in Deutschland leben, reichen von 500.000 bis 1,5 Millionen. Die STAY!-Mitarbeiter haben davon abgeleitet, dass im Ballungsraum 50 Kilometer rund um Düsseldorf mindestens 100.000 Illegale leben.
350 Menschen berät STAY! pro Jahr – Tendenz steigend. Und besonders stark nehme derzeit die Zahl schwangerer Frauen zu, die sich verzweifelt an die Initiative wenden. Hilfe bekommen die Frauen nicht nur beim Gang zu den Ausländerbehörden, sondern auch direkt medizinisch. Uni-Kinderarzt Alex Rosen leitet das Düsseldorfer Medinetz, das mit STAY! zusammenarbeitet. 20 Mediziner engagieren sich ehrenamtlich in der Beratung. Zudem gebe es Frauenärzte und Krankenhäuser, die Papierlose anonym und zur Not kostenlos behandelten.
„Ich hätte nicht gewusst, was ich ohne dieses Angebot getan hätte“, sagt Drita S. (34). Die Liebe brachte sie vom Kosovo nach Düsseldorf, sie wurde schwanger. Zurück konnte sie nicht: Da der Vater ihres Kindes einer anderen Volksgruppe angehört, wurde Drita S. von ihrer Familie bedroht. Wie viele andere Frauen hätte sie den kleinen Admir ohne die Hilfe von Medinetz wohl allein zu Hause bekommen.
„Das darf nicht sein“, sagt STAY!-Mitbegründer Oliver Ongaro. Jede Frau, egal ob legal oder illegal in Deutschland, müsse das Recht auf eine ordentliche Geburt haben. Aber ob STAY! weiterarbeiten könne, stehe auf der Kippe: Die Spenden reichen immer nur ganz knapp. „Die medizinische Flüchtlingshilfe in Bochum bekommt Gelder von der Stadt“, sagt Ongaro. In Düsseldorf sei das allerdings nicht in Sicht.
von Juliane Kinast (WZ 10.6.2010)

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