Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.
Zwei Jahre ist es jetzt her, dass diese Menschen Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau wurden. Wir vergessen diese Menschen nicht. Wir schließen uns den Forderungen ihrer Angehörigen und Freund*innen an: Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen!
Schon zum ersten Jahrestag des Anschlags veröffentlichte die Initiative 19. Februar eine Dokumentation zur „Kette behördlichen Versagens“ ( https://19feb-hanau.org/wp-content/uploads/2021/02/Kette-des-Versagens-17-02-2021.pdf ). Darin ging es um die unerklärlichen Verzögerungen am Täterhaus, um den bedrohlichen Übergriff einer Sondereinheit der Polizei in dieser Nacht gegenüber wartenden Familienangehörigen eines Opfers und viele Details, die bis heute im Dunklen geblieben sind.
Und bis heute ist diese Kette nicht abgerissen: Im Juni 2021 wurde öffentlich, dass 13 Polizeibeamte in der Tatnacht im Einsatz waren, die aus der gleichen SEK-Einheit stammten, die zuvor wegen zu vieler rechtsextremer Vorfälle aufgelöst worden war. Im gleichen Monat entschied die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren gegen die Polizei wegen des nicht erreichbaren Notrufs einzuleiten. Vergeblich hatte Vili Viorel Păun die 110 gewählt, während er den Täter in seinem Auto verfolgte. Sein Vater möchte wissen, ob sein Sohn noch leben würde, hätte dieser die Polizei erreichen können.
Es ist der Beharrlichkeit der Initiative 19. Februar zu verdanken, dass diese Umstände öffentlich skandalisiert und hinterfragt werden. Über ein Jahr lang kämpften sie mit ihren Verbündeten für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses des hessischen Parlaments, der im Dezember 2021 erstmals öffentlich tagte. Seine Arbeit ist noch längst nicht abgeschlossen. Denn die Aussagen der Angehörigen und Überlebenden machten zwei Dinge deutlich: Es gibt nur noch wenig Vertrauen zu den Behörden, dafür um so mehr offene Fragen. Und den Wunsch nach umfassender Aufklärung und gesellschaftlichen Konsequenzen, um rassistischem Terror und rechter Gewalt zu begegnen.
Und dazu reicht es nicht, dass der Bundespräsident dazu aufruft, Antirassist zu sein oder die Innenministerin Rechtsextremismus als größtes Problem benennt. Tag für Tag erleben PoC (People of Color), was Rassismus bedeutet. Rassismus ist ein Gewaltsystem, dass in den staatlichen Strukturen verankert ist, sich in seinen Institutionen zeigt, von der Schule bis zur Polizei. Rassismus wird von der weißen Mehrheitsgesellschaft getragen und ausgeübt, und sie profitiert davon. Auch deswegen war Hanau kein Einzelfall. Weder was die Tat betrifft, noch den behördlichen Umgang damit noch die gesellschaftlichen Reaktionen.
Hanau zeigt aber auch, wie wichtig zivilgesellschaftliche Zusammenschlüsse sind und wie viel sie erreichen können. Überall arbeiten Initiativen wie z.B. die Ini-Keupstraße (http://keupstrasse-ist-ueberall.de/ ) oder die Gruppe um das Gedenken an Şahin Çalışır (https://solingenistbunt.de/erinnerung-an-den-tod-von-sahin-calisir/1523/ ) daran, rassistische Morde dem Vergessen zu entreißen. Hartnäckig und unerschütterlich haben sich Angehörige und Überlebenden von rechter Gewalt einen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung erkämpft. Sie erheben ihre Stimme und stellen Forderungen an die Politik und die Gesellschaft – oft mit Erfolg. Der Kölner Ini „Tatort Porz – Keine Ruhe nach dem Schuss“ (https://tatort-porz.org/ ) ist es vor Kurzem im Bähner-Prozess gelungen, eine Entpolitisierung und Bagatellisierung des Falls durch eine kritische Prozess- und Öffentlichkeitsarbeit ist zu verhindern. Stattdessen wurde der Fall als das skandalisiert was er war: Ein Schuss eines Rassisten aus der CDU auf Jugendliche, die sich am Rande seines Grundstücks aufhielten.
Wir sind bereits am ersten Jahrestag mit über 1000 Menschen auf die Straße gegangen, in Solidarität mit allen Betroffenen von rassistischer, antisemitischer und antiziganistischer Gewalt. Auch in diesem Jahr wünschen wir uns eine große, lautstarke Demo voller Verbündeter.
Und zwar gerade jetzt: Nach zwei Jahren Pandemie hat sich eine rechtsoffene Bewegung gebildet, die auch in Düsseldorf Woche für Woche auf der Straße ist unter den Rufen nach Liebe ihren schlecht verborgenen Egoismus feiert. Es ist eine Bewegung, die Holocaust-Relativierung toleriert, die kein Problem mit antisemitischer Rhetorik hat und von Frieden und Freiheit quatscht, aber munter mit Neonazis spazieren geht. Oder sich sogar von ihnen den Weg durch Polizeiketten freischlagen lässt.
Kommt am Samstag, den 19.02.2022 um 14 Uhr zum Oberbilker Markt. Von dort wollen wir zum Johannes-Rau-Platz laufen. Wir wollen unseren Protest zum Landtag bringen und die Straßen endlich wieder nicht nur in der Hand von Verschwörungserzähler*innen sehen. Erinnern heißt Kämpfen. #saytheirnames