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Arbeitsgruppe 4:
Möglichkeiten der Sozial- und Rechtsberatung von Menschen ohne Papiere
Teilnehmende aus folgenden Städten: Berlin, Bonn, Dresden, Essen, Gießen, Jena, Kiel, Leipzig, Lübeck, Mainz, Marburg, München, Rhein-Neckar, Rostock
In der ersten Hälfte des Workshops wurden zwei Vorträge gehalten.
Nicole Tauscher berichtete über ihre Sozialberatung bei Stay! . Insbesondere bezog sie sich mit anschaulichen Beispielen auf Problematiken, mit denen alle Medinetze in Berührung kommen, z.B. Schwangerschaft von „Menschen ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland“ und die Zusammenarbeit ( bzw. fehlende Zusammenarbeit) mit den Düsseldorfer Behörden. Hier fand außerdem ein Erfahrungsaustausch unter den verschiedenen Medinetzen statt, wobei festgestellt wurde, dass die Situation mit den Behörden von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich ist.
Es folgte ein Vortrag von Steffi Hoffmann, welche ihre Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vorstellte.
Dank des Handouts des Workshops zu Sozial- und Rechtsberatung in Frankfurt vom letzen Jahr, wurden im zweiten Teil der Arbeitsgruppe offene Fragen im Plenum diskutiert.
Als Fazit für das nächste Jahr, wünschten sich die Teilnehmer die Möglichkeit im nächsten Workshop genauere Information zur Rechtslage durch einen Anwalt zu erhalten. Weiterhin wurde angeregt, rechtliche Fragen im Voraus zu sammeln, so dass diese gezielt im Workshop besprochen werden können.
Themenschwerpunkte:
Schwangere
Duldung
Es besteht weiterhin Unsicherheit von unserer Seite, wie sicher es für die Betroffenen ist, in den Duldungsstatus zu gehen. In jedem Fall ist es von Vorteil, dass dann die Geburt gesichert ist und das Kind eine Geburtsurkunde erhalten kann. Die Duldungsdauer ist länderspezifisch und kann von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung (gesetzlicher Mutterschutz) bis hin zu 3 Monate vor und 6 Monate nach der Entbindung dauern (z.B. Rhl-Pflz). München berichtet, dass sie die Zeit von 3 Monaten vor und 3 Monaten nach der Geburt für sie ausreicht um nahezu 95% der Geduldeten in dieser Zeit so zu beraten, dass diese in dieser Zeit einen Aufenthaltsstatus erhalten.
Kooperation mit Krankenhäusern
In einigen Städten wie zum Beispiel in Mainz, Leipzig und Rostock konnten Vereinbarungen mit Krankenhäuser für die Entbindung von nicht krankenversicherten Migrantinnen getroffen werden. Die Krankenhäuser bieten einen verringerten Preis für die Entbindung und leiten keine Daten weiter, die Medinetze/Medibüros kümmern sich dafür um Vor- und Nachsorge.
Legalisierungsmöglichkeiten
Legalisierungsmöglichkeiten bestehen für die Mutter nach Geburt des Kindes, wenn der Vater Deutscher, EU-Bürger (mit Niederlassungserlaubnis?) oder Ausländer mit 8 Jahren legalem Aufenthaltsstatus ist.
Auch über Heirat eines Mannes aus diesen Personengruppen kann der Aufenthalt einer Frau legalisiert werden. Heirat aus der Illegalität ist nicht möglich, sondern muss im Duldungsstatus geschehen. Schwierig ist dabei der Zeitraum der Duldung, der häufig zu kurz ist, um alle notwendigen Papiere zu besorgen.
Hinderungsgründe für Abschiebung
Bei Familien ist es von Vorteil, wenn der Vater nachweisen kann, dass er eine Bindung zu dem Kind hat, dann darf Deutschland die Familie nicht trennen, also z.B. nicht den Vater alleine abschieben (Erfahrungsberichte: passiert trotzdem in einigen Bundesländern, wie beispielsweise in NRW).
München berichtet von folgenden Erfahrungen:
– Kenia nimmt keine Kinder „zurück“, wenn der Vater nicht kenianisch ist.
– Kuba nimmt ihre Landsleute nicht mehr „zurück“, wenn sie nach 11 Monaten noch keinen neuen Antrag auf Auslandsaufenthalt gestellt haben.
– Nach Serbien werden derzeit keine Frauen abgeschoben, die sich hier haben Scheiden lassen, weil das in Serbien nicht akzeptiert werde.
– Das Gericht in München hat festgestellt, dass es in Nigeria keine adäquate psychotherapeutische Versorgung gibt und den Betroffenen deswegen hier ein Aufenthalt zu geben ist.
Übermittlungspflichten
Die Vertreter der Medinetze sind weiterhin darum bemüht über politische Arbeit bei der Stadt und Aufklärung in Krankenhäusern oder beim Sozialamt die Berücksichtigung des verlängerten Geheimnisschutzes voranzutreiben. Den Berichten nach scheint es weiterhin in keiner Stadt der Fall zu sein, dass mit Sicherheit die Daten bei Behandlung von Papierlosen und Abrechnung über das Sozialamt geschützt bleiben.
Es gibt erschreckender Weise immer noch Berichte, dass in einigen Städten Fälle bekannt sind, in denen die Krankenhausverwaltung bei Erscheinen eines Papierlosen die Polizei gerufen haben (zum Teil wohl auch „nur“ zur Identitätsfeststellung, also keine Meldung in dem Sinne mit aber den gleichen Konsequenzen).
Es wird deutliche, dass viele in dem Workshop nicht ganz genau die Gesetzessystematik zwischen Übermittlungspflicht, Einschränkung und AVV verstehen. Hierfür wird ein Übersichtsblatt aus Mainz an das Protokoll angehangen.
Nothilfe
Bei der Behandlung von Papierlosen, können in Notfällen die Leistungserbringer (in erster Linie Krankenhäuser) die entstandenen Kosten beim Sozialamt über das AsylbLG abrechnen (§25 SGB XII). Die Erfahrung zeigt aber, dass die Krankenhäuser dies oft nicht tun, entweder aus Unwissenheit oder weil der Bedürftigkeitsnachweis schwierig ist und die Ablehnungen der Anträge zahlreich. Leipzig bemüht sich diesbezüglich, die Verwaltungen in den Krankenhäusern zu ermutigen, häufiger Leistungen bei Sozialamt einzufordern, wenn nötig auch über Klagen.
weiter Problemfelder
Die Kommunen haben oft Angst mit verbesserten Versorgungsangeboten und verlängertem Duldungszeitraum ein Anziehungspunkt für die Betroffenen zu werden.
Psychologische Gutachten finden oft keine Berücksichtigung bei Abschiebungen.
Suchtpatienten sind ein großes Problem, wegen der langwierigen, teuren und erfolgsunsicheren Behandlung.
Weiteres
Es wird der Bedarf an einer Austauschplattform genannt. Viele in dem Workshop kennen das vor zwei Jahren eingerichtete Forum im Internet nicht.
Es wird für folgende Workshops in sozialrechtlichen Fragen der Bedarf nach einem (juristischen) Experten genannt, den man schwierige Fragen stellen kann.
das „Frankfurter Handout“
Übersicht zur Datenübermittlung
Arbeitsgruppe 1:
Wie funktioniert ein Medinetz (Einstiegshilfe und Austausch zu häufigen Problemen und Fragen)
Arbeitsgruppe 2:
Anonymer Krankenschein – Stand der Dinge, Perspektive, Vergleich Modelle, Ansätze
Arbeitsgruppe 3:
Abschiebungspraxis und Aktionsmöglichkeiten am Beispiel des Düsseldorfer Flughafens
Arbeitsgruppe 5:
Auswirkungen der globalen Finanzkrise auf die Arbeit der Medizinischen Flüchtlingshilfen
Arbeitsgruppe 6:
Umgang mit nicht versicherten EU-BürgerInnen, vor allem Roma
Arbeitsgruppe 7:
Strategien und Werkzeuge zur gemeinsamen Kampagnen- und Lobbyarbeit
Arbeitsgruppe 8:
Die besonderen Herausforderungen in der Betreuung psychisch kranker Papierloser